Luftangriff auf Wehr am 05. Januar 1945



Der 5. Januar 1945 ist vielen älteren Wehrer Einwohnern noch in unangenehmer Erinnerung. An diesem Tag entging unser Dorf nur ganz knapp einer Katastrophe.

Hierzu ist es wichtig, zunächst folgendes zu erwähnen:

Am 02.September 1944 wurden viele Schulen des Kreises Mayen, so auch die Schule in Wehr, plötzlich geschlossen. Weil auf die Stadt Mayen schon viele Luftangriffe erfolgt waren und die Lage im Wehrer Kessel für sicherer befunden wurde als in Mayen, wurde der Standort der Kreisverwaltung nach Wehr verlegt. Landrat Heiliger "residierte" nunmehr mit seinem Stab in der Wehrer Schule an der Kellerei. Zur gleichen Zeit wurde auch das Wehrmeldeamt nach Wehr verlegt.

In der ehemaligen Molkerei am Ortsausgang Richtung Glees wurde kurze Zeit später eine Funkstation mit einem hohen Sendemast eingerichtet. Diese Vorgänge dürften auch den Alliierten nicht verborgen geblieben sein. Sie führten wohl dazu, dass in der Folgezeit der Ort Wehr immer wieder das Ziel von Luftangriffen wurde:

Am 28.10 1944 fielen drei Bomben unterhalb der Funkstation auf eine Viehweide, eine Luftmine detonierte und tötete vier Schafe. Scheunendächer und Stallfenster wurden beschädigt.

Am 02.01.1945 wurden Gebäude unterhalb der Kellerei durch Jabos (Jagdbomber) mit Bordwaffen beschossen, eine Scheune stand in Flammen. Bei diesem Angriff wurde auch das Haus der Familie Görgen direkt neben der Schule (Landrats- und Wehrmeldeamt) beschossen. Ein Geschoss durchschlug ein Fenster und eine Zwischenwand des Wohnhauses und traf Alois Görgen an der Halsschlagader. Dieser verblutete, unbemerkt von Mutter und Schwester, welche sich im Nebenzimmer befanden, durch welches die Kugel zuvor ihren Weg nahm.

Doch nun zu den Ereignissen vom 5. Januar 1945. Der Morgen war trübe, über dem Wehrer Kessel lagen tief hängende Wolken. Gegen 11.30 Uhr erdröhnte die Luft über dem Dorf von aus Richtung Südosten heran fliegenden Bombern. Die Flugzeuge überflogen den Kessel am Südwestrand, ca. 800 - 1.000m Luftlinie von der Ortslage entfernt, als sie ihre Bombenlast abwarfen. Die Abwurfstelle des Bombenteppichs begann auf Höhe Ortseingang und endete auf Höhe Ortsende. Der Luftdruck der detonierten Bomben war so stark, dass selbst im Dorf noch Dachpfannen hochgehoben und verschoben wurden. Im Bereich des Bombenteppichs in den Fluren Gleicht, Daubenborn, Hövertriesch, Hauchenbüsch bis hin zum Langenbusch wurden 72 Trichter gezählt, manche sprechen sogar von 150. Im Wald sind heute noch viele dieser Trichter zu sehen.


Die Markierung zeigt den Bereich, in welchen die Bomben abgeworfen wurden. Der Pfeil zeigt die Stelle, wo Werner Heckenbach den Tod fand.


Es ist bis heute nicht genau bekannt, wem dieser Großangriff gegolten hat. Es gibt des öfteren Vermutungen, dass der Angriff dem Bahnhof Engeln gegolten hätte. Nach meiner überzeugung, und damit bin ich nicht allein, sollte jedoch aus den oben genannten Gründen das Dorf Wehr getroffen werden.

Es war ein glücklicher Zufall, dass an diesem Morgen tiefe Wolken und Nebel über dem Wehrer Kessel lagen, wodurch die Sicht der Piloten behindert war. Womöglich lag es aber auch an einem Navigationsfehler, dass das beabsichtigte Ziel verfehlt wurde.

Ein paar ältere Jäger unter der Führung von Alois Beu (Baltese Alois) wollten am Vormittag des 05. Januar in den Fluren Dittenstall und Daubenborn eine Treibjagd abhalten. Als Treiber betätigten sich auch Schüler der oberen Klassen. Die Jagdgruppe befand sich in der Flur Daubenborn genau im Bombenhagel. Jäger und Treiber warfen sich bei Beginn des Angriffs flach auf den Boden. Der Schüler Werner Heckenbach (7. Schuljahr) wurde jedoch so schwer verletzt, dass er zwei Tage später verstarb.

Doch lassen wir den heute 82jährigen Hermann-Josef Beu, der als Treiber dabei war, erzählen:

"Am 05. Januar 1945 nahm ich als Treiber an einer Treibjagd teil. Außer mir waren noch Karl Ritzdorf, Alois Neis, Ludwig Brust und Werner Heckenbach als Treiber dabei.

Den ganzen Morgen über lag Flugzeuglärm in der Luft. Die Luft vibrierte regelrecht. Die Bomber kamen aus Westen und flogen in Richtung Osten. Als die Wolkendecke einmal kurz aufriss, waren die Flugzeuge deutlich zusehen. Einige von uns bekamen Angst und liefen in Richtung Dorf. Später kamen sie jedoch wieder zurück, da sie befürchteten, lächerlich gemacht und ausgeschimpft zu werden.

Wir trieben von unten, also von Dittenstall in Höhe des Weges zur Schladt aus bergan in Richtung Daubenborn.

Als wir uns kurz unterhalb des oberen Waldrandes befanden, erzitterte plötzlich die Luft. Der Bomberverband hatte gedreht und kam aus Richtung Osten zurück und begann seine Bomben abzuwerfen. Zunächst dachte ich, es sei ein Flugzeug abgestürzt. Ich warf mich sofort zu Boden.

 
Diese heute noch gut erkennbaren Bombentrichter sind ca. 20m voneinander entfernt. Dazwischen befand sich Werner Heckenbach, Herman-Josef Beu lag oberhalb des rechten Trichters.


Um mich her bebte die Erde und ich wurde von herab fallenden Erd- und Gesteinbrocken getroffen, ich lag genau am Rand eines Bombentrichters. Hierdurch gingen Luftdruck und Splitter über mich hinweg und ich hatte zum Glück nur einige Prellungen.

Werner Heckenbach, der sich in meiner Nähe befand, jammerte: "Mein Bauch, mein Bauch." Als ich zu ihm hinlief krümmte er sich vor Schmerzen. Es waren keine äußeren Verletzungen erkennbar.

Er lag genau zwischen zwei Trichtern und erlitt wahrscheinlich durch den Luftruck und auf ihn herab fallende Steinbrocken schwere innere Verletzungen. Zwei Tage später ist er seinen Verletzungen erlegen"

Auch in der Folgezeit kam es immer wieder zu Luftangriffen, bei denen viele Gebäude beschädigt wurden und noch ein Menschenleben zu beklagen war.

Mit dem Einmarsch der Amerikaner am 09. März war der Krieg für uns in Wehr zu Ende. Doch darüber werde ich zu einem späteren Zeitpunkt berichten.

Wehr, im Dezember 2009

Richard Genn

Quellennachweis:

- Eigene Erlebnisse
- Schulchronik von Wehr
- Berichte von Zeitzeugen

Fotos: Richard Genn
Luftbild: aus FLOrlp

Die letzten Monate des 2. Weltkrieges in Wehr

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